URTEIL DES GERICHTSHOFES
17. November 1998 (1)
„Brüsseler Übereinkommen Schiedsklausel Anordnung einer vorläufigen
Leistung Begriff der einstweiligen Maßnahmen“
In der Rechtssache C-391/95
wegen eines dem Gerichtshof gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend
die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen durch den Gerichtshof vom Hoge Raad der Nederlanden
(Niederlande) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Van Uden Maritime BV, auch handelnd unter dem Namen Van Uden Africa Line,
gegen
Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u. a.
vorgelegten Ersuchens um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 1
Absatz 2 Nummer 4, von Artikel 3, von Artikel 5 Nummer 1 und von Artikel 24
des genannten Übereinkommens vom 27. September 1968 (ABl. 1972, L 299, S. 32)
in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des
Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien
und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und geänderter Text S. 77) sowie des
Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik
Griechenland (ABl. L 388, S. 1)
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der
Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn, J.-P. Puissochet, G. Hirsch und P. Jann sowie
der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, C. Gulmann, J. L. Murray,
D. A. O. Edward, H. Ragnemalm (Berichterstatter), L. Sevón und M. Wathelet,
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der Van Uden Maritime BV, auch handelnd unter dem Namen Van Uden
Africa Line, vertreten durch Rechtsanwalt L. M. Ebbekink, Den Haag,
der Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u. a., vertreten durch
Rechtsanwalt J. L. de Wijkerslooth, Den Haag,
der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat J. Pirrung,
Bundesministerium der Justiz, als Bevollmächtigten,
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Nicoll,
Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte im Beistand von
V. V. Veeder, QC,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch
B. J. Drijber, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der deutschen Regierung, der
Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission in der Sitzung vom 22.
April 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juni
1997,
folgendes
Urteil
- 1.
- Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 8. Dezember 1995, beim
Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 1995, gemäß dem Protokoll vom 3. Juni
1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über
die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof acht Fragen nach der
Auslegung von Artikel 1 Absatz 2 Nummer 4, von Artikel 3, von Artikel 5 Nummer
1 und von Artikel 24 des Übereinkommens vom 27. September 1968 (ABl. 1972,
L 299, S. 32) in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den
Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs
Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und geänderter Text S. 77)
sowie des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik
Griechenland (ABl. L 388, S. 1; im folgenden: Übereinkommen) zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
- 2.
- Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Van Uden Maritime
BV (im folgenden: Klägerin) mit Sitz in Rotterdam (Niederlande) und der
Kommanditgesellschaft in Firma Deco-Line u. a. (im folgenden: Beklagte) mit Sitz
in Hamburg (Deutschland) über einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der die
Erfüllung von Forderungen aus einem Vertrag mit Schiedsklausel betrifft.
- 3.
- Nach Artikel 1 Absatz 1 des Übereinkommens ist dieses in Zivil- und
Handelssachen anzuwenden. Gemäß Absatz 2 Nummer 4 ist es jedoch nicht auf die
Schiedsgerichtsbarkeit anzuwenden.
- 4.
- Nach Artikel 2 gilt für die gerichtliche Zuständigkeit der allgemeine Grundsatz, daß
Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben,
ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu
verklagen sind.
- 5.
- Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben,
können vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den
Vorschriften des Übereinkommens verklagt werden. In Artikel 3 Absatz 2 sind die
exorbitanten Zuständigkeitsvorschriften aufgeführt, die gegen Personen, die ihren
Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats haben, nicht geltend
gemacht werden können; unter diesen Vorschriften befinden sich die Artikel 126
Absatz 3 und 127 der niederländischen Zivilprozeßordnung (Wetboek van
Burgerlijke Rechtsvordering; im folgenden: Rv.).
- 6.
- Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des
Verfahrens, so kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines
Vertragsstaats hat, gemäß Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens in einem
anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die
Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
- 7.
- Artikel 24 des Übereinkommens, der für einstweilige und sichernde Maßnahmen
gilt, bestimmt:
„Die in dem Recht eines Vertragsstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen
einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, können bei den
Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung
in der Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaats aufgrund dieses
Übereinkommens zuständig ist.“
- 8.
- Im März 1993 schlossen die Parteien einen als „slot/space charter agreement“
bezeichneten Vertrag, in dem sich die Klägerin verpflichtete, der Beklagten
Laderaum an Bord von Schiffen zur Verfügung zu stellen, die die Klägerin
entweder selbst oder zusammen mit anderen Schiffahrtsunternehmen im Rahmen
eines Linienverkehrs zwischen Nord-/Westeuropa und Westafrika nutzt. Die
Beklagte verpflichtete sich, dafür die vereinbarten Tarife zu zahlen.
- 9.
- Die Klägerin leitete in den Niederlanden das vertraglich vorgesehene
Schiedsverfahren ein, weil die Beklagte bestimmte Rechnungen, die ihr die Klägerin
geschickt hatte, nicht bezahlt hatte.
- 10.
- Die Klägerin meinte, die Beklagte verschleppe die Ernennung der Schiedsrichter;
zudem werde ihre Liquiditätslage durch die ausbleibende Bezahlung ihrer
Rechnungen stark beeinträchtigt. Sie strengte daher weiter beim Präsidenten der
Rechtbank Rotterdam ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes an, in dem sie
beantragte, die Beklagte zur Erfüllung von vier vertraglichen Forderungen in Höhe
von insgesamt 837 919,13 DM zu verurteilen.
- 11.
- In diesem Verfahren rügte die Beklagte zunächst die Unzuständigkeit des
niederländischen Gerichts. Sie trug vor, sie könne nur vor den deutschen Gerichten
verklagt werden, da sie ihren Sitz in Deutschland habe.
- 12.
- Das Gericht wies diese Einrede mit der Begründung zurück, eine im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes beantragte Anordnung sei als eine einstweilige
Maßnahme im Sinne von Artikel 24 des Übereinkommens anzusehen.
- 13.
- Unter Berufung auf Artikel 126 Absatz 3 Rv. gelangte das Gericht zu dem
Ergebnis, als Gericht des Wohnsitzes des Klägers sei es für die Entscheidung über
die Forderung eines in den Niederlanden wohnenden Klägers gegen einen
Beklagten, der in den Niederlanden weder einen bekannten Wohnsitz noch einen
anerkannten Aufenthaltsort habe, zuständig. Außerdem weise die Rechtssache aus
zwei Gründen genügend Anknüpfungspunkte an die niederländische Rechtsordnung
auf. Zum einen nehme die Beklagte am internationalen Handelsverkehr teil und
erwerbe aus diesem Grund in den Niederlanden Forderungen und damit zur
Zwangsvollstreckung geeignetes Vermögen , so daß ein etwa gegen sie ergehendes
Urteil in den Niederlanden vollstreckt werden könne. Zum anderen könne ein
solches Urteil auch in Deutschland vollstreckt werden.
- 14.
- Schließlich stehe dieser Zuständigkeit nicht entgegen, daß die Parteien für
Rechtsstreitigkeiten ein Schiedsverfahren in den Niederlanden vereinbart hätten,
da eine Schiedsklausel nach Artikel 1022 Absatz 2 Rv. nicht ausschließe, daß eine
Partei ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreibe.
- 15.
- Der Präsident der Rechtbank Rotterdam verurteilte die Beklagte daher mit
vorläufig vollstreckbarem Urteil vom 21. Juni 1994, an die Klägerin 377 625,35 DM
zuzüglich der gesetzlichen Zinsen zu zahlen.
- 16.
- Auf das Rechtsmittel der Beklagten hob der Gerechtshof Den Haag das Urteil mit
der Begründung auf, die Rechtssache müsse genügend Anknüpfungspunkte an die
niederländische Rechtsordnung aufweisen, was im Rahmen des Übereinkommens
bedeute, daß sich die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragte
Anordnung in den Niederlanden in der Weise auswirken müsse, daß sie dort
vollstreckt werden könne. Die bloße Möglichkeit, daß die Beklagte dort in der
Zukunft Vermögen erwerben werde, reiche dafür nicht aus.
- 17.
- Der Hoge Raad der Nederlanden, bei dem ein Rechtsmittel gegen die
letztgenannte Entscheidung anhängig ist, hat das Verfahren ausgesetzt und dem
Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Wenn die Verpflichtung zur Zahlung dessen, was aufgrund eines Vertrages
geschuldet wird, in einem Vertragsstaat zu erfüllen wäre so daß gemäß
Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens der Gläubiger seinen
säumigen Schuldner auch dann vor den Gerichten dieses Staates auf
Erfüllung verklagen kann, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz im
Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats hat , sind dann die Gerichte
des erstgenannten Staates (ohne weiteres) für die Entscheidung über einen
vom Gläubiger gegen seinen Schuldner gestellten Antrag im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes zuständig, mit dem begehrt wird, den Schuldner
durch sofortige einstweilige Verfügung zur Zahlung dessen zu verurteilen,
was er dem Gläubiger nach Ansicht des Gerichts mit hoher
Wahrscheinlichkeit schuldet, oder hängt dann die Zuständigkeit des Gerichts
in diesem Verfahren von weiteren Voraussetzungen ab, z. B. davon, daß
sich die beantragte Anordnung in dem betreffenden Vertragsstaat auswirken
(können) muß?
2. Macht es für die Beantwortung der ersten Frage einen Unterschied, ob der
Vertrag zwischen den Parteien eine Schiedsklausel enthält und, wenn ja, wo
sich gemäß dieser Klausel der Schiedsort befindet?
3. Wenn die erste Frage dahin gehend zu beantworten ist, daß die
Zuständigkeit des Gerichts des vorläufigen Rechtsschutzes auch voraussetzt,
daß sich die bei ihm beantragte Anordnung in dem betreffenden
Vertragsstaat auswirken (können) muß, bedeutet dies dann, daß das
beantragte Urteil dort vollstreckt werden können muß, und ist dann
erforderlich, daß diese Voraussetzung bei der Stellung des Antrags erfüllt
ist, oder reicht es aus, daß sie voraussichtlich zukünftig erfüllt sein wird?
4. Fällt die in den Artikeln 289 ff. der niederländischen Zivilprozeßordnung
vorgesehene Möglichkeit, bei Eilbedürftigkeit beim Präsidenten der
Arrondissementsrechtbank eine sofortige einstweilige Verfügung zu
beantragen, unter den Begriff der „einstweiligen Maßnahmen einschließlich
solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind“, im Sinne von Artikel 24 des
Brüsseler Übereinkommens?
5. Macht es bei der Beantwortung der vierten Frage einen Unterschied, ob ein
Hauptsacheverfahren anhängig ist oder gemacht werden kann, und, wenn
ja, spielt es dann eine Rolle, daß in diesem Fall ein Schiedsverfahren
anhängig war?
6. Macht es bei der Beantwortung der vierten Frage einen Unterschied, ob die
beantragte Anordnung eine Verurteilung zur Erfüllung einer
Zahlungsverpflichtung im Sinne der ersten Frage ist?
7. Wenn die vierte Frage zu bejahen ist, ist dann, falls „für die Entscheidung
in der Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaats aufgrund dieses
Übereinkommens zuständig ist“, Artikel 24 und insbesondere die darin
enthaltene Verweisung auf die „in dem Recht eines Vertragsstaats
vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen“ so zu verstehen, daß das Gericht
des vorläufigen Rechtsschutzes (ohne weiteres) zuständig ist, wenn seine
nationalen Zuständigkeitsvorschriften es für zuständig erklären, auch wenn
es sich dabei um Vorschriften im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 des BrüsselerÜbereinkommens handelt, oder hängt seine Zuständigkeit im letztgenannten
Fall davon ab, daß weitere Voraussetzungen vorliegen, z. B., daß sich die
beantragte Anordnung in dem betreffenden Vertragsstaat auswirken
(können) muß?
8. Wenn die siebte Frage dahin gehend zu beantworten ist, daß die
Zuständigkeit des Gerichts des vorläufigen Rechtsschutzes auch voraussetzt,
daß sich die bei ihm zu beantragende Anordnung in dem betreffenden
Vertragsstaat auswirken (können) muß, bedeutet dies dann, daß das
beantragte Urteil dort vollstreckt werden können muß, und ist dann
erforderlich, daß diese Voraussetzung bei der Stellung des Antrags erfüllt
ist, oder reicht es aus, daß sie voraussichtlich zukünftig erfüllt sein wird?
- 18.
- Die Fragen betreffen die Zuständigkeit des Gerichts des vorläufigen Rechtsschutzes
nach dem Übereinkommen. Das nationale Gericht will wissen, ob sich eine solche
Zuständigkeit zum einen aus Artikel 5 Nummer 1 (Fragen 1 bis 3), zum anderen
aus Artikel 24 des Übereinkommens (Fragen 4 bis 8) ergeben kann. In beiden
Fällen fragt das vorlegende Gericht
zunächst, wie sich die Tatsache auswirkt, daß der bei ihm anhängige
Rechtsstreit nach dem Vertrag der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegt,
sodann, ob die Zuständigkeit des Gerichts des vorläufigen Rechtsschutzes
von der Voraussetzung abhängt, daß sich die beantragte Anordnung in dem
betreffenden Gerichtsstaat auswirken (können) muß, insbesondere daß sie
dort vollstreckt werden kann, und ob es erforderlich ist, daß diese
Voraussetzung bei der Stellung des Antrags erfüllt ist,
und schließlich, wie sich die Tatsache auswirkt, daß die Rechtssache einen
Antrag auf vorläufige Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung betrifft.
- 19.
- Zunächst steht fest, daß ein Gericht, das nach den Artikeln 2 und 5 bis 18 des
Übereinkommens für die Entscheidung eines Rechtsstreits in der Hauptsache
zuständig ist, nach dem Übereinkommen auch für die Anordnung einstweiliger oder
sichernder Maßnahmen zuständig ist, die sich als erforderlich erweisen.
- 20.
- Zudem enthält Artikel 24 im 9. Abschnitt des Übereinkommens eine weitere, nicht
zum System der Artikel 2 und 5 bis 18 gehörende Zuständigkeitsvorschrift, wonach
ein Gericht einstweilige oder sichernde Maßnahmen auch dann anordnen kann,
wenn es für die Entscheidung in der Hauptsache nicht zuständig ist. Nach dieser
Vorschrift können die Maßnahmen angeordnet werden, die in dem Recht des
Staates des angerufenen Gerichts vorgesehen sind.
- 21.
- Gemäß Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens kann eine Person, wenn ein
Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden,
in einem anderen Vertragsstaat als dem ihres Wohnsitzes vor dem Gericht des
Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen
wäre.
- 22.
- Das Gericht, das nach dem Übereinkommen für die Entscheidung eines
Rechtsstreits in der Hauptsache zuständig ist, ist auch für die Anordnung
einstweiliger oder sichernder Maßnahmen zuständig, ohne daß diese Zuständigkeit
von weiteren Voraussetzungen wie derjenigen abhängt, die das vorlegende Gericht
in der dritten Frage erwähnt.
- 23.
- Im Ausgangsverfahren enthält jedoch der zwischen den Parteien geschlossene
Vertrag eine Schiedsklausel.
- 24.
- Haben die Parteien einen Rechtsstreit aus einem Vertrag der Zuständigkeit der
staatlichen Gerichte entzogen und ihn einem Schiedsgericht zugewiesen, so gibt es
im Sinne des Übereinkommens kein staatliches Gericht, das für den Rechtsstreit
in der Hauptsache zuständig wäre. Daraus folgt, daß die Vertragsparteien keine
Möglichkeit haben, die Anordnung einstweiliger oder sichernder Maßnahmen bei
einem staatlichen Gericht zu beantragen, das nach dem Übereinkommen in der
Hauptsache zuständig ist.
- 25.
- Daher kommt eine Zuständigkeit des staatlichen Gerichts zur Anordnung
einstweiliger oder sichernder Maßnahmen aufgrund des Übereinkommens nur
gemäß Artikel 24 in Betracht.
- 26.
- Die Beklagte, die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten
Königreichs tragen vor, da die Parteien vereinbart hätten, ihre Streitigkeiten einem
Schiedsgericht zu unterbreiten, falle auch das Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes nicht unter das Übereinkommen. Die deutsche Regierung macht
namentlich geltend, daß die beantragten einstweiligen Maßnahmen nicht in den
Anwendungsbereich des Übereinkommens fielen, wenn sie in untrennbarem
Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand eines Schiedsverfahrens stünden.
Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs können die im
vorliegenden Fall beantragten Maßnahmen als Maßnahmen angesehen werden, die
dem Schiedsverfahren dienen sollen, so daß sie vom Anwendungsbereich des
Übereinkommens ausgeschlossen seien.
- 27.
- Die Klägerin und die Kommission vertreten dagegen die Auffassung, daß das
Vorhandensein einer Schiedsklausel nicht bewirke, daß ein Antrag auf vorläufigen
Rechtsschutz nicht mehr in den Anwendungsbereich des Übereinkommens falle.
Die Kommission weist darauf hin, daß der Streitgegenstand entscheidend sei und
daß dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Erfüllung einer
Vertragspflicht, also ein in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallendes
Rechtsgebiet, zugrunde liege.
- 28.
- Artikel 24 des Übereinkommens gilt auch dann, wenn für die Entscheidung in der
Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaats zuständig ist, sofern der
Streitgegenstand in den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt,
der Zivil- und Handelssachen umfaßt.
- 29.
- Die Tatsache allein, daß bei einem Gericht eines Vertragsstaats ein
Hauptsacheverfahren anhängig ist oder werden kann, nimmt dem Gericht eines
anderen Vertragsstaats somit nicht seine Zuständigkeit aus Artikel 24 des
Übereinkommens.
- 30.
- Artikel 24 des Übereinkommens erlaubt es jedoch nicht, einstweilige oder sichernde
Maßnahmen auf Rechtsgebieten, die vom Anwendungsbereich des
Übereinkommens ausgeschlossen sind, in diesen einzubeziehen (vgl. Urteil vom 27.
März 1979 in der Rechtssache 143/78, De Cavel, Slg. 1979, 1055, Randnr. 9).
- 31.
- Nach Artikel 1 Absatz 2 Nummer 4 des Übereinkommens ist die
Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich des Übereinkommens
ausgeschlossen. Mit dieser Vorschrift wollten die Parteien des Brüsseler
Übereinkommens die Schiedsgerichtsbarkeit als Gesamtbereich, einschließlich der
bei den staatlichen Gerichten eingeleiteten Verfahren, ausschließen (vgl. Urteil vom
25. Juli 1991 in der Rechtssache C-190/89, Rich, Slg. 1991, I-3855, Randnr. 18).
- 32.
- In dem anläßlich des Beitritts des Königreichs Dänemark, Irlands und des
Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen
erstellten Sachverständigenbericht (ABl. 1979, C 59, S. 71, 92) wird ausgeführt, daß
sich das Übereinkommen weder auf eine Gerichtsentscheidung bezieht, die die
Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Schiedsvertrags feststellt oder wegen seiner
Unwirksamkeit die Parteien anhält, ein Schiedsverfahren nicht weiter zu betreiben,
noch auf Verfahren oder Entscheidungen über Anträge auf Aufhebung, Änderung,
Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen. Außerdem sind vom
Anwendungsbereich des Übereinkommens Verfahren ausgeschlossen, die einem
Schiedsverfahren dienen sollen, wie etwa Verfahren zur Ernennung oder
Abberufung von Schiedsrichtern oder zur Festlegung des Schiedsorts und zur
Verlängerung der für die Fällung des Spruches bestehenden Fristen.
- 33.
- Jedoch sind die einstweiligen Maßnahmen grundsätzlich nicht auf die Durchführung
eines Schiedsverfahrens gerichtet; sie werden vielmehr parallel zu einem solchen
Verfahren zu dessen Unterstützung angeordnet. Gegenstand dieser Maßnahmen
ist nicht die Schiedsgerichtsbarkeit als Rechtsgebiet, sondern die Sicherung
verschiedenartigster Ansprüche. Daher bestimmt sich ihre Zugehörigkeit zum
Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht nach ihrer Rechtsnatur, sondern
nach derjenigen der durch sie gesicherten Ansprüche (vgl. Urteil vom 26. März
1992 in der Rechtssache C-261/90, Reichert und Kockler, Slg. 1992, I-2149,
Randnr. 32).
- 34.
- Soweit der Gegenstand eines Antrags auf Erlaß einstweiliger Maßnahmen wie im
Ausgangsverfahren eine Frage betrifft, die in den sachlichen Anwendungsbereich
des Übereinkommens fällt, ist dieses anwendbar; Artikel 24 des Übereinkommens
kann die Zuständigkeit des Gerichts des vorläufigen Rechtsschutzes auch dann
begründen, wenn ein Hauptsacheverfahren bereits eingeleitet wurde oder
eingeleitet werden kann, selbst wenn dieses Verfahren vor einem Schiedsgericht
stattfinden müßte.
- 35.
- Zu den Voraussetzungen, unter denen nach dem Übereinkommen einem Antrag
gemäß Artikel 24 entsprochen werden kann, trägt die Klägerin vor, daß das Gericht
des vorläufigen Rechtsschutzes ohne weiteres zuständig sei, sofern es nach den
nationalen Vorschriften zuständig sei, auch wenn es sich um Vorschriften handele,
die in Artikel 3 Absatz 2 des Übereinkommens genannt seien. Die Beklagte hält
es dagegen für gerechtfertigt, strengere Voraussetzungen anzulegen; jedenfalls habe
die Verweisung in Artikel 24 auf die nationalen Zuständigkeitsvorschriften zur
Folge, daß das Gericht des vorläufigen Rechtsschutzes berechtigt sei, seine
Zuständigkeit von diesen Voraussetzungen abhängig zu machen.
- 36.
- Die deutsche Regierung vertritt die Auffassung, daß nach Artikel 24 in einem
nationalen Gerichtsstand, der in Artikel 3 Absatz 2 des Übereinkommens
aufgeführt sei, eine einstweilige Maßnahme nur dann angeordnet werden könne,
wenn dieser Gerichtsstand die Eilbedürftigkeit der Entscheidung voraussetze oder
wenn die Eilbedürftigkeit sein Geltungsgrund sei und wenn der Regelungsgehalt der
einstweiligen Maßnahme zum Zeitpunkt ihres Erlasses einen qualifizierten
Inlandsbezug aufweise. Die letztgenannte Voraussetzung sei erfüllt, wenn die
einstweilige Maßnahme im Gerichtsstaat vollstreckt werden könne.
- 37.
- Unter „einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung
gerichtet sind“, im Sinne von Artikel 24 sind Maßnahmen auf Rechtsgebieten, die
in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, zu verstehen, die eine
Veränderung der Sach- oder Rechtslage verhindern sollen, um Rechte zu sichern,
deren Anerkennung im übrigen bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht
beantragt wird (vgl. Urteil Reichert und Kockler, a. a. O., Randnr. 34).
- 38.
- Der Erlaß solcher Maßnahmen verlangt vom angerufenen Gericht besondere
Umsicht und genaue Kenntnis der konkreten Umstände, in deren Rahmen die
beantragten Maßnahmen wirken sollen. Je nach Lage des Falles, namentlich nach
den Gebräuchen des Handels, muß er die Anwendung befristen, im Hinblick auf
die Art der Vermögensgegenstände oder der Waren, die von den beabsichtigten
Maßnahmen betroffen sind, Bankbürgschaften verlangen oder einen Sequester
bestellen und ganz allgemein die Anordnung von Voraussetzungen abhängig
machen können, die den einstweiligen oder auf eine Sicherung gerichteten
Charakter der Maßnahme sicherstellen (vgl. Urteil vom 21. Mai 1980 in der
Rechtssache 125/79, Denilauler, Slg. 1980, 1553, Randnr. 15).
- 39.
- Dabei ist das örtlich zuständige Gericht oder jedenfalls das Gericht des
Vertragsstaats, in dem sich die von der beantragten Maßnahme betroffenen
Vermögensgegenstände befinden, sicherlich am besten in der Lage, die Umstände
zu beurteilen, auf die es für den Erlaß oder die Versagung der beantragten
Maßnahmen oder für die Bestimmung der vom Antragsteller zu beachtenden
Modalitäten und Voraussetzungen ankommt, durch die der einstweilige und auf
eine Sicherung gerichtete Charakter der Maßnahme sichergestellt werden soll
(Urteil Denilauler, Randnr. 16).
- 40.
- Daraus folgt, daß die Anordnung einstweiliger oder sichernder Maßnahmen nach
Artikel 24 insbesondere voraussetzt, daß zwischen dem Gegenstand der beantragten
Maßnahmen und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Vertragsstaats des
angerufenen Gerichts eine reale Verknüpfung besteht.
- 41.
- Weiter folgt daraus, daß das Gericht, das auf der Grundlage von Artikel 24
Maßnahmen anordnet, zu berücksichtigen hat, ob die Voraussetzungen oder
Modalitäten erforderlich sind, durch die der einstweilige oder auf eine Sicherung
gerichtete Charakter der Maßnahmen sichergestellt werden soll.
- 42.
- Das nationale Gericht hat seine Zuständigkeit auf eine der in Artikel 3 Absatz 2
des Übereinkommens aufgeführten nationalen Vorschriften gestützt. Nach Artikel
3 Absatz 1 können Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines
Vertragsstaats haben, vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß
den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts des Titels II, d. h. gemäß den Artikeln 5
bis 18 des Übereinkommens, verklagt werden. Daraus folgt, daß das Verbot der
Geltendmachung exorbitanter Zuständigkeitsvorschriften in Artikel 3 nicht für die
Sonderregelung des Artikels 24 gilt.
- 43.
- Schließlich bestreiten die Beklagte und die Regierung des Vereinigten Königreichs,
daß eine im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergehende Anordnung der
Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung als eine einstweilige Maßnahme im
Sinne von Artikel 24 des Übereinkommens angesehen werden kann. Die deutsche
Regierung ist der Ansicht, daß das Ausgangsverfahren wohl nicht unter den Begriff
der einstweiligen oder sichernden Maßnahmen falle.
- 44.
- Die Klägerin und die Kommission teilen diese Auffassung nicht. Nach Ansicht der
Kommission sind als einstweilige Maßnahmen diejenigen Maßnahmen anzusehen,
die in dem Zeitpunkt, in dem der Rechtsstreit entschieden wird, oder mit Ablauf
einer festgesetzten Frist ihre Gültigkeit verlieren. Sie könnten in positiven
Maßnahmen bestehen, d. h. in einer Anordnung, eine bestimmte Handlung, wie die
Herausgabe einer Sache oder die Zahlung eines Geldbetrags, vorzunehmen.
- 45.
- Es kann nicht von vornherein abstrakt und generell ausgeschlossen werden, daß die
Anordnung der vorläufigen Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung, auch
wenn ihr Betrag dem des Klageantrags entspricht, zur Sicherstellung der
Wirksamkeit des Urteils in der Hauptsache erforderlich ist und gegebenenfalls
angesichts der Parteiinteressen gerechtfertigt erscheint (vgl. bezüglich des
Gemeinschaftsrechts Beschluß vom 29. Januar 1997 in der Rechtssache
C-393/96 P [R], Slg. 1997, I-441, Randnr. 37).
- 46.
- Die Anordnung einer vorläufigen Leistung kann jedoch ihrem Wesen nach die
Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Außerdem könnten die
Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens umgangen werden, wenn dem
Antragsteller das Recht eingeräumt würde, die vorläufige Erbringung einer
vertraglichen Hauptleistung beim Gericht seines Wohnsitzes zu erwirken, das nach
den Artikeln 2 bis 18 des Übereinkommens für die Entscheidung in der
Hauptsache nicht zuständig ist, und die Anordnung sodann im Staat des
Antragsgegners anerkennen und vollstrecken zu lassen.
- 47.
- Deshalb stellt die Anordnung der vorläufigen Erbringung einer vertraglichen
Hauptleistung nur dann eine einstweilige Maßnahme im Sinne des Artikels 24 des
Übereinkommens dar, wenn die Rückzahlung des zugesprochenen Betrages an den
Antragsgegner in dem Fall, daß der Antragsteller nicht in der Hauptsache obsiegt,
gewährleistet ist und wenn die beantragte Maßnahme nur bestimmte
Vermögensgegenstände des Antragsgegners betrifft, die sich im örtlichen
Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts befinden oder befinden müßten.
- 48.
- Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, daß
das nach Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens zuständige Gericht
auch für die Anordnung einstweiliger oder sichernder Maßnahmen zuständig
ist, ohne daß diese Zuständigkeit von weiteren Voraussetzungen abhängt;
einstweilige oder sichernde Maßnahmen nicht auf der Grundlage von
Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens angeordnet werden können,
wenn die Parteien einen Rechtsstreit aus einem Vertrag der Zuständigkeit
der staatlichen Gerichte entzogen und ihn einem Schiedsgericht zugewiesen
haben.
Auf die fünfte Frage ist zu antworten, daß
das Übereinkommen anwendbar ist, soweit der Gegenstand eines Antrags
auf Erlaß einstweiliger Maßnahmen eine Frage betrifft, die in seinen
sachlichen Anwendungsbereich fällt, und Artikel 24 des Übereinkommens
die Zuständigkeit des Gerichts des vorläufigen Rechtsschutzes auch dann
begründen kann, wenn ein Hauptsacheverfahren bereits eingeleitet wurde
oder eingeleitet werden kann, selbst wenn dieses Verfahren vor einem
Schiedsgericht stattfinden müßte.
Schließlich ist auf die vierte und die sechste bis achte Frage zu antworten, daß
die Anwendung des Artikels 24 des Übereinkommens insbesondere
voraussetzt, daß zwischen dem Gegenstand dieser Maßnahme und der
gebietsbezogenen Zuständigkeit des Vertragsstaats des angerufenen
Gerichts eine reale Verknüpfung besteht;
die Anordnung der vorläufigen Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung
nur dann eine einstweilige Maßnahme im Sinne von Artikel 24 des
Übereinkommens darstellt, wenn die Rückzahlung des zugesprochenen
Betrages an den Antragsgegner in dem Fall, daß der Antragsteller nicht in
der Hauptsache obsiegt, gewährleistet ist und wenn die beantragte
Maßnahme nur bestimmte Vermögensgegenstände des Antragsgegners
betrifft, die sich im örtlichen Zuständigkeitsbereich des angerufenen
Gerichts befinden oder befinden müßten.
Kosten
- 49.
- Die Auslagen der deutschen Regierung und der Regierung des Vereinigten
Königreichs sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen
abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 8. Dezember 1995
vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Das nach Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens vom 27. September
1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung des
Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs
Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und
Nordirland sowie des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den
Beitritt der Republik Griechenland zuständige Gericht ist auch für die
Anordnung einstweiliger oder sichernder Maßnahmen zuständig, ohne daß
diese Zuständigkeit von weiteren Voraussetzungen abhängt.
2. Einstweilige oder sichernde Maßnahmen können nicht auf der Grundlage
von Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968
angeordnet werden, wenn die Parteien einen Rechtsstreit aus einem Vertrag
der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte entzogen und ihn einem
Schiedsgericht zugewiesen haben.
3. Das Übereinkommen vom 27. September 1968 ist anwendbar, soweit der
Gegenstand eines Antrags auf Erlaß einstweiliger Maßnahmen eine Frage
betrifft, die in seinen sachlichen Anwendungsbereich fällt. Artikel 24 des
Übereinkommens kann die Zuständigkeit des Gerichts des vorläufigen
Rechtsschutzes auch dann begründen, wenn ein Hauptsacheverfahren
bereits eingeleitet wurde oder eingeleitet werden kann, selbst wenn dieses
Verfahren vor einem Schiedsgericht stattfinden müßte.
4. Die Anwendung des Artikels 24 des Übereinkommens vom 27. September
1968 setzt insbesondere voraus, daß zwischen dem Gegenstand dieser
Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Vertragsstaats des
angerufenen Gerichts eine reale Verknüpfung besteht.
5. Die Anordnung der vorläufigen Erbringung einer vertraglichen
Hauptleistung stellt nur dann eine einstweilige Maßnahme im Sinne von
Artikel 24 des Übereinkommens vom 27. September 1968 dar, wenn die
Rückzahlung des zugesprochenen Betrages an den Antragsgegner in dem
Fall, daß der Antragsteller nicht in der Hauptsache obsiegt, gewährleistet
ist und wenn die beantragte Maßnahme nur bestimmte
Vermögensgegenstände des Antragsgegners betrifft, die sich im örtlichen
Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts befinden oder befinden
müßten.
Rodríguez IglesiasKapteyn
Puissochet
Hirsch Jann
Mancini Moitinho de Almeida
Gulmann
Murray Edward
Ragnemalm Sevón
Wathelet
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. November 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
G. C. Rodríguez Iglesias